Hotelarchitektur der 1960er-Jahre
von Barbara Guger
Hotels und 1960er-Jahre, eine Lovestory – denkt man nur an Filme wie „Das süße Leben des Grafen Bobby“, „Das Weiße Rössl am Wolfgangsee“, „Mariandl“ oder „Happy-End am Wörthersee“. Obwohl diese zuckersüßen Klischeefilme kaum die Realität darstellen, vermitteln sie doch ein Grundgefühl dieser Zeit: Aufbruch. Aufbruch aus der grauen Vergangenheit der Nachkriegszeit, Aufbruch in den Wohlstand, Aufbruch in ein neues Zeitalter mit Zuversicht.
In den 1960er-Jahren florierte die Wirtschaft, die Trümmer des Krieges waren beseitigt, die Ölkrise war noch weit weg und der Wohlstand zog ein. Plötzlich konnten Urlaubsträume in Erfüllung gehen und der jährliche Sommerurlaub mit dem Auto wurde für die breite Masse zur Normalität. Die regelmäßige Wanderbewegung in den Süden setzte ein und hat bis heute nicht geendet. Das Phänomen des Massentourismus war geboren und brachte blitzartig neue Anforderungen. Soziale Maßnahmen wie kürzere Arbeitszeiten und Urlaubsanspruch lösten eine Entwicklung von der Arbeits- zur Freizeitgesellschaft aus. Parallel dazu organisierte und institutionalisierte man den Tourismus: Reiseveranstalter wie TUI, Neckermann, Quelle etc. schnürten Angebote für die Bewegungen der Massen und der Staat begleitete sie mit der Österreich Werbung und Infrastrukturmaßnahmen, etwa dem Ausbau des Straßennetzes.
In den Urlaubsgegenden investierte man rege, um den Ansturm der Reisenden aufzunehmen.
Nun zog auch hier der Aufschwung ein. Plötzlich waren Urbanität und Modernität zu erkennen. Pralle Zuversicht zeigte sich in den Bauten, als würden die Massen unversiegbar strömen. Man wollte weg vom Natürlichen und hin zum außergewöhnlichen.
Es wurde vor allem in die Höhe gebaut. In den Vereinigten Staaten entstanden gemischte Hochhauskomplexe mit Hotelzimmern, Wohnungen und Büroräumlichkeiten, wie etwa das UN Plaza Hotel von Kevin Rode in NYC.
Die Hotelkette Hilton preschte weltweit vor, sie bot Uniformität durch eine architektonische Corporate Identity mit lokalem Kolorit. In dieser Entwicklung stach ein Architekt hervor: John Portman, der als Erfinder der mehrstöckigen Atrium-Hotels gilt. Dieser neu geschaffene öffentliche Raum zieht nicht nur Reisende, sondern auch die lokale Bevölkerung an und lässt Hotels zum gesellschaftlichen Treffpunkt avancieren. Schön zu beobachten ist dieser Zeitgeist in der momentan aktuellen Kultserie „Mad Men“ von Matthew Weiner. Die schicke New Yorker Society triff sich in den großen Häusern, um Geschäfte zu machen und um ihren Wohlstand zu inszenieren. Konferenzräumlichkeiten werden zum fixen Bestandteil von Stadthotels und Hoteleröffnungen zum gesellschaftlichen Ereignis.
Zum Urlauben begibt man sich ab den 1960ern gerne auch in Resorts. Diese sind eine Zufluchtsstätte, man will raus aus dem Alltag und rein in den Urlaub. Der abgegrenzte Bereich soll großzügig wirken und dabei das Gefühl vermitteln, frei zu sein. Das Herzstück der Resorts ist der Pool, dort lebt die Gesellschaft.
Sicherheit für das Treiben bieten die umschlingenden Gebäudeformen sowie das üppige Grün der Anlagen. Atmosphärisch denkt man an Sean Connery alias James Bond mit Cocktail am Pool und Frauen, die sich in Bikinis rekeln. Gestalterisch findet man von 1955 bis 1965 oft raue Materialien, gerne werden Sichtbeton und andere körnige Oberflächen eingesetzt. Nach außen wirken die Gebäude mit Beton, Stahl und Glas relativ geschlossen, einzig durchgängige großflächige Fensterbänder lassen ins bunte Gesicht des Inneren blicken. Extravagante Formen treffen auf grafische Muster, vom zarten Pastell bis zu ausdrucksstarken Knalltönen darf nichts ausgelassen werden.
Holz findet man häufig in der Rezeptionsgestaltung, der Boden strahlt Lebendigkeit aus und kleine Sitzgelegenheiten verleiten zum Verweilen. Der Aufstieg von Plastik setzte dem Design keine Grenzen mehr und organische Formen prägten die Möbel. Aber auch Schlichtheit, durch lange unverschnörkelte Sideboards oder luftige Bücherregale, ist zu finden. Lampen wurden tief gehängt und erleuchten in strahlenden Farben. Der Nierentisch erlangt seine Berühmtheit oder die Swan-Chairs von Arne Jacobsen aus Dänemark.
Zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich und Mitte der 1950er-Jahre hält die Utopie Einzug: Disneyland erobert die Welt. 1955 wird in Kalifornien der erste Disney-Freizeitpark samt Disney-Hotel eröffnet (Abb. 3 und 4), eine neue Ära von Fantasiearchitektur entsteht. Märchen und Comicwelten verführen zum Träumen und Eintauchen, die Realität verliert. Hand in Hand mit den USA gewinnen auch in Österreich Freizeitparks an Bedeutung;
1958 eröffnet Minimundus. Das Ziel dieser Parks ist jedoch da wie dort dasselbe: Unterhaltung. Die Tristesse der Kriegsjahre verblasst, alles ist möglich in den Zeiten des Aufschwungs. Während Spanien die Costa Brava mit Bettenburgen zupflastert, eilt Griechenland in die Moderne und gründet das Xenia-Bauprogramm, eine Abteilung der griechischen Zentrale für Fremdenverkehr. Das Programm soll als Vorbild für die private Hotelbauwirtschaft dienen, Hotels mit architektonischem Anspruch propagieren und Gäste durch Komfort begeistern. So entstanden in den Jahren 1955 bis 1965 circa 50 Hotels, geplant und gebaut von jungen griechischen Architekten.
Heute ist das Erbe des Xenia-Programms spärlich, eine Würdigung blieb aus. Hotels wurden geschlossen, abgerissen und bis zur Unkenntlichkeit umgebaut. Einzig das Hotel Xenia auf Mykonos restaurierte man denkmalgerecht und eröffnete es 2004 als Designhotel unter dem Namen Theoxenia Mykonos.
Heute propagieren Lifestylemagazine und Szenepostillen eine klare Botschaft: Retro ist schick, die „Rolling Fifties“ und die „Swinging Sixities“ sind am Vormarsch. Motel One, eine deutsche Budgethotelkette, bedient sich etwa des Retrolooks und der berühmte Egg-Chair von Arne Jacobsen wird zum türkisen Markenelement der Rezeption. Die Architektur der Sechziger ist alles andere als ein Auslaufmodell. Ein Beispiel ist das 2011 in Wien eröffnete zweite Hotel Daniel, basierend auf dem Hoffmann-La-Roche-Bürogebäude aus den 1960ern von Georg Lippert und Roland Rohn. Die Fassade im Curtain-Wall-Stil blieb original erhalten, ein Glücksfall für das alte Baujuwel . Der Sixties-Look lockt auch im alpinen Bereich – das Hotel Miramonte in Bad Gastein vermarktet sich etwa als ein Third Place mit k&k-Urbanität und 60ies-Flair. Und im Hotel der Therme Vals findet man sogar noch originale Zimmer dieser Zeit. Die Außenhäuser Tomül und Zervreila geben ein 1960er-Hochseefeeling mitten in der Schweizer Bergwelt.
Und auch das Parkhotel Pörtschach funkelt zu seinem runden Jubiläum 2013 in seiner 1960er-Pracht.